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Analyse

Ausgabe: 06 / 23 Lesedauer: min

So kann der Handel ChatGPT nutzen

Das OpenAI-Tool ChatGPT ist in aller Munde und hat das Thema KI in die breite Öffentlichkeit gebracht. Auch Händler und Onlineshops experimentieren mit dem KI-basierten Sprach- und Text-Bot. Wir erklären, wie der Handel das Tool nutzen kann.

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Im November vergangenen Jahres wurde der Chatbot ChatGPT erstmals veröffentlicht. Seitdem wächst die Begeisterung für das Tool, das in wenigen Sekunden Fragen beantwortet, Zusammenfassungen verfasst und sogar Programmiervorschläge liefert. Schüler waren die Ersten, die den Nutzen erkannt und für ihre Hausaufgaben eingesetzt haben. Inzwischen ist die ChatGPT-Euphorie auf Unternehmen übergeschwappt. Auch Händler und Onlineshops experimentieren mit dem KI-basierten Sprach- und Text-Bot.

Jüngstes Beispiel ist Zalando. Bereits seit 2018 tüftelt der Shopping-Riese an Möglichkeiten, mithilfe Künstlicher Intelligenz die Customer Experience zu verbessern. Damals wurde der Algorithmic Fashion Companion (AFC) entwickelt, der Kunden persönliche Outfits empfehlen sollte. Den richtigen Durchbruch hat diese softwarebasierte Modeberatung aber nie geschafft. Jetzt soll ChatGPT das Thema wieder nach vorne bringen.

In den nächsten Wochen kommt die Beta-Version eines Fashion Assistant, die in Deutschland von ausgewählten Kundinnen getestet werden kann. Neu an dem Tool ist, dass man in der App Fragen stellen kann. Beispiel: "Ich bin auf einer Hochzeit im Juli auf Santorin eingeladen. Was sollte ich anziehen?" Der Fashion Assistant, der ChatGPT nutzt, liefert darauf eine Antwort und empfiehlt Produkte, die auf Zalando zu finden sind. Auch Amazon arbeitet intensiv daran, künftig komplexe Kundenfragen beantworten zu können und ihnen anschließend die richtigen Produkte zu präsentieren. US-Medien berichten, dass der Online-Riese derzeit Softwarespezialisten einstellt, die die Amazon-Suche mit einem "interaktiven Gesprächserlebnis" aufpeppen können.

Zalando

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Suche in Onlineshops wird sich durch ChatGPT ändern

Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass in genau solchen Suchanfragen die Zukunft liegt. "Bevor Menschen kaufen, haben sie Fragen. Und wenn diese zufriedenstellend beantwortet werden können, dann kaufen sie", sagt Dirk Pache, Geschäftsführer von Kontor4. "Und das Beantworten dieser Fragen war noch nie so einfach wie jetzt mit den Möglichkeiten von ChatGPT und Co."

Pache verweist darauf, dass sich damit das Userverhalten auf den Webseiten der E-Commerce-Anbieter deutlich ändern wird. Bislang wurde in Onlineshops nach Produkten gesucht, die über Filter eingegrenzt wurden. Künftig gehe es dann aber auch um begleitende Fragen, wie zum Beispiel: "Ist die Hose schnell zu reinigen?" Oder: "Wie häufig muss ich den Akku wechseln?"

Wenn aber Zalando Monate braucht, um ChatGPT sinnvoll einzubinden, und Amazon ebenfalls erst in den Startlöchern steht, ist dies ein Beleg dafür, wie komplex eine Integration offenbar ist. Denn ChatGPT, das in seiner neuesten, kostenpflichtigen Version auf GPT4 zugreift, kennt die Anforderungen des jeweiligen Unternehmens nicht. Der Bot muss also mit den eigenen Unternehmensdaten verknüpft werden, bevor er brauchbare Ergebnisse liefert. OpenAI, das Unternehmen, das hinter der Entwicklung von ChatGPT steckt, hat deshalb erste PlugIns präsentiert. Damit ist es möglich, das KI-Sprachmodell an Unternehmensdaten anzudocken. Expedia, Klarna und Shopify haben solche PlugIns bereits am Start. Damit, so heißt es bei OpenAI, können Sprachmodelle ihre Antworten mit evidenzbasierten Referenzen untermauern, sprich: verlässliche Informationen liefern.

Handel setzt ChatGPT bislang vornehmlich intern ein

Bislang wird ChatGPT deshalb im Handel nahezu ausschließlich intern und ohne Zugang zu Endkunden eingesetzt. Der Schäfer Shop, einer der führenden Büroausstatter, hat GPT beispielsweise an das eigene Produktinformationssystem angebunden. Damit, so schreibt CEO Andreas Reuter in einem Blogbeitrag, lassen sich in Sekundenschnelle präzise Produktbeschreibungen und Kategorietexte formulieren. Man habe viele Texte generieren können, die man nur noch leicht manuell habe anpassen müssen. Zudem nutzt der Schäfer Shop ChatGPT für die Mitarbeiter in der Kundenkommunikation. Bei technischen Fragen oder bei Gesprächsformulierungen sei das Tool eine wertvolle Hilfe.

In diese Richtung zielt auch eine Entwicklung bei Salesforce. Das Unternehmen setzt die von ihm weiterentwickelte "EinsteinGPT" im Mitarbeiter-Service ein. Damit können bestehende Datensätze zu Vorfällen aus der Vergangenheit durchsucht und ein Lösungsvorschlag formuliert werden. Der Mitarbeiter kann diese Informationen dann gleich im Gespräch verwenden. "Hilfreich für weitere Fragen gleicher Art ist, dass EinsteinGPT nach einem Dialog mit dem Kunden das Gespräch zusammenfasst und auf Knopfdruck einen FAQ-Artikel erstellen kann", so Nino Bergfeld, Retail Advisor bei Salesforce.

ChatGPT für Keywordsuche und Kunden-Reviews

Sinnvoll kann ChatGPT auch bei der Suche nach geeigneten Keywords sein. Trutz Fries, Founder von Revoic, nennt einen hilfreichen Prompt (Spracheingabe): "Nenne 20 Keywords für einen Gaming Monitor, die ich in der Produktbeschreibung nutzen sollte, um bei Google oder Amazon besser gefunden zu werden." Genauso kann ChatGPT nach typischen Tippfehlern gefragt werden. Sinnvoll kann es auch sein, Kunden-Reviews in das Textfeld von ChatGPT zu kopieren und die KI um eine Zusammenfassung zu bitten. Fries: "Die KI liefert hier gute Arbeit ab und wertet sehr viele Kundenanfragen in kürzester Zeit verlässlich aus. Diese Informationen kann man nun nutzen, um das Listing entsprechend zu verbessern, indem man die Beschreibung so anpasst, dass Kunden die am häufigsten gestellten Fragen direkt auf der Produktdetailseite beantwortet bekommen."

Der Einsatz von ChatGPT im eigenen Unternehmen kann also in vielen Bereichen unterstützen. Das Tool liefert Hinweise zu Content-Ideen für den eigenen Blog, E-Mails oder Social Media Post. Es kann unterschiedliche Keywords in sinnvolle Cluster einteilen und beliebte Fragen zu bestimmten Produkten formulieren. ChatGPT agiert hier wie ein menschlicher Sparringspartner, der in wenigen Sekunden brauchbare Vorschläge liefert. Wichtig ist nur, diesen Output nicht gedankenlos zu übernehmen. Da die KI bislang nur auf Daten bis Ende 2021 zuverlässig zugreift, sind sie nie aktuell. Zudem liefert GPT auch regelmäßig unsinnige Antworten ab, im Fachjargon heißt das: "Sie halluziniert."

GPT erfindet Gewürzmischung für Ankerkraut

Dennoch: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ankerkraut, die Gewürzmarke von Nestlé, ließ sich von ChatGPT kürzlich sogar ein neues Gewürz kreieren. Die dazugehörigen Prompts lauteten: "Entwickle eine Gewürzmischung, die im Trend liegt und mit der die VerbraucherInnen zum Kochen motiviert werden. Kreiere einen passenden, kreativen Produktnamen und einen Claim. Entwickle ein Rezept für ein Gericht, bei dem das neue Gewürz zum Einsatz kommt. Schreibe Social-Media-Posts, um das Gewürz zu bewerben. Erstelle eine Pressemitteilung zum Launch."

Der Name des mittlerweile online vertriebenen Gewürzes: "Paprikanova". "Es war ein Experiment", so Peter Paul Plambeck, Bereichsleitung Brand Management bei Ankerkraut. "Das Ergebnis hat uns überrascht, es ist Wahnsinn, was möglich ist." Handarbeit war trotzdem noch wichtig: Immerhin wurde der Geschmack zuvor noch geprüft, verkostet und in Rezepten getestet.

Helmut van Rinsum

Redaktion
berichtet als Fachjournalist seit vielen Jahren über die Entwicklungen der Medien- und Marketingbranche. Er schreibt regelmäßig für Internet World Business über Themen aus dem digitalen Marketing und publiziert für diverse Blogs. Einmal pro Woche verfasst er für Internet World den Social Media Newsletter, zudem ist er Herausgeber des Newsletters „KI im Marketing“ sowie des dazugehörigen Blogs. Van Rinsum ist Vater von drei Kindern und lebt in München.
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