KOMMENTAR

Ausgabe: Oktober 2023 Lesedauer: min

Nachhaltigkeit heißt: Teil der Lösung sein, nicht des Problems

Die für 2030 gesetzten Klimaziele wird Deutschland aller Voraussicht nach nicht erreichen, erklärte unlängst der Expertenrat für Klimafragen. Da ist es wieder, dieses völlig anonymisierte „Deutschland“. Aber „Deutschland“ meint jeden einzelnen von uns, jedes Unternehmen. Die Klimaziele, der Klimaschutz gehen uns alle an. Wir sind alle Teil des Problems. Aber wir sind längst noch nicht alle Teil der Lösung, meint Christiane Treckmann.

Sechs von zehn Verbraucher:innen achten beim Einkaufen immer oder zumindest häufig auf die ökologische, ökonomische oder soziale Nachhaltigkeit von Händlern und Herstellern. Bei den unter 35-Jährigen sind es sogar zwei Drittel, bei den über 55-Jährigen immerhin jede:r Zweite, so eine repräsentative Befragung im Auftrag von PwC. Im wohl empfindlichsten Segment, dem Kauf von Nahrungsmitteln, achten sogar 81 Prozent der Deutschen auf Einhaltung wenigstens von einem der drei ESG-Kriterien, also Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung.

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Auch immer mehr Unternehmen setzen sich Nachhaltigkeitsziele. Aber eine wirkliche Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen erst gut 26 Prozent der Unternehmen hierzulande, rund 32 Prozent entwickeln eine Strategie, der Rest ist abwartend bis ablehnend, wie etwa die Studie „Unternehmen im Wandel“ der Unternehmensberatung Staufen aufführt.

Was treibt Unternehmen hierzulande dazu, sich nachhaltig zu engagieren? Denn – Stichwort Klimaziele – noch wird deutlich zu wenig getan. 745 Millionen Tonnen CO2 und andere Treibhausgase jährlich sind zu viel, laut Schätzungen werden bis 2030 insgesamt gut 330 Millionen Tonnen mehr ausgestoßen als „geplant“. Was also ist der Treiber: Sind es die politischen Regulierungen – oder sind es die Kundenwünsche?

Die Antwort ist klar: Es sind vor allem die Kundenwünsche, die Unternehmen antreiben. Die Macht der Kunden ist auch in puncto Nachhaltigkeit immens.

Nachhaltigkeit schafft Vorteile vor allem in drei Bereichen

Die Vorteile, die nachhaltig orientierte und kommunizierende Unternehmen haben, werden vor allem in drei Bereichen deutlich:

Glaubwürdigkeit und Vertrauen: Eine nachhaltige Werbestrategie signalisiert ganz klar: Hier steht eine Marke, die verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert handelt.

Identifikation: Kunden identifizieren sich zunehmend mit Marken, die eine soziale und ökologische Verantwortung zeigen.

Loyalität: Bestehende Kunden sind eher geneigt, der Marke treu zu bleiben, wenn sie deren nachhaltige Bestrebungen wahrnehmen und schätzen.

Politische Regulierungen sind ein unverzichtbarer Rahmen, um Umweltauswirkungen zu minimieren und soziale Verantwortung zu fördern. Regulierungen können Unternehmen dabei helfen, nachhaltiger zu werden, allerdings werden sie von Unternehmen oft eher als Pflichterfüllung gesehen. Kundenwünsche sind konkret, fassbar, face-to-face. Politische Regulierungen dagegen sind anonym.

Unternehmen sollten Nachhaltigkeit nicht als reine Pflichterfüllung sehen, sondern als Chance, die Zukunft mitgestalten zu können. Eine Haltung, die vielleicht sogar bewirkt, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, der über die Regularien hinausgeht.

Die zentrale Frage ist dabei: Wie gelingt es, dass Unternehmen nicht nur das Nötigste tun, sondern sich wirklich engagieren? Die Antwort ist: Motivation.

Motivation kommt über die Kunden, nicht über Regularien

Wenn die Unternehmen spüren und verstehen, dass ihre Kunden Wert auf Nachhaltigkeit legen und mitunter sogar bereit sind, dafür auch mehr zu zahlen, dann kann echtes Engagement entstehen. Dann können sich Unternehmen – im Schulterschluss mit ihren Kunden – als aktive Zukunftsgestalter sehen statt als Erfüllungsgehilfen. Und genau dann sind Unternehmen nicht länger Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.

Ein Beispiel ist der Nachhaltigkeitsbericht. Ab 2024 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass für alle Unternehmen, ob börsennotiert oder nicht, die erweiterte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) gilt, wenn sie mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 250 Mitarbeitende, die Bilanzsumme ist höher als 20 Millionen Euro, der Nettoumsatz größer als 40 Millionen Euro.

Man kann dieser Vorgabe notgedrungen und widerwillig nachkommen. Man kann es als Unternehmen aber auch als Chance sehen, den Bericht über die Anforderungen hinaus so informativ und attraktiv zu gestalten, dass man ihn beispielsweise als Kundenbindungsinstrument nutzen und seine Nachhaltigkeitsbemühungen umfassend dokumentieren – "promoten" – kann. Ganz abgesehen davon, dass auch Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte erstellen können, obwohl sie es – noch – nicht müssten. Dieses freiwillige „Mehr“ an Engagement ist es, was künftig maßgeblich über den Businesserfolg und den Konkurrenzvorsprung mitentscheiden wird.

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit brauchen Unternehmen Motivation. Wo die Motivation fehlt, hat die "Regelungsmüdigkeit" leichtes Spiel.

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