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Neuer, schneller, bunter: Sind wir zu ungeduldig geworden in der Werbekreation?

Braucht unsere schnelllebige Zeit immer neue Kreation? Nein, denn Abnutzung ist ein Mythos. Setzen Sie stattdessen auf wirklich effektive Maßnahmen.

Radio oder Fernsehen als Hintergrundgeräusche beim Kochen, zwei Stunden am Tag auf Social Media mit Influencern, die die neuesten und besten Produkte anpreisen, unerwünschte Pop-ups beim Surfen auf Websites, flackernde Werbetafeln in der Innenstadt – Verbraucher sind ständig Werbung ausgesetzt, egal ob sie an den Produkten interessiert sind oder nicht.

Foto: Shutterstock

Obwohl die Informationsflut kein neues Konzept ist, ist sie zweifelsohne angestiegen - und trägt dazu bei, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne weiter abnimmt. Gibt es also in dieser Attention Economy kein Durchkommen für Werbung, außer, wir setzen auf „neuer, schneller, bunter“? Längere Formate sind tot, und wir müssen die wenigen Sekunden an Aufmerksamkeit erhaschen, derer heutige Normalverbraucher fähig sind? Das ist sicher eine zu einfache Sichtweise. Laut Ad Alliance gibt es keine klare Definition von Attention – außer, dass „Aufmerksamkeit immer mit einer bewussten Wahrnehmung einhergeht“. In der Fixierung auf Attention ist es dabei dann leicht, auf grelle Signale und Reize zu setzen und andere Aspekte außen vor zu lassen – wie zum Beispiel Relevanz und Resonanz.

Dieselben Leute, die angeblich keiner Aufmerksamkeit fähig sind, „bingen“ schließlich Serien oder Podcasts, oder sitzen zweieinhalb Stunden für Blockbuster wie Furiosa und John Wick im Kino. Mit Blick auf Marketing und Werbung geht es also vielleicht nicht nur darum, herauszustechen – sondern auch darum, Bedürfnisse widerzuspiegeln, Emotionen zu wecken, und Botschaften durch vertraute Geschichten, Charaktere, und kreative Elemente zu transportieren. Nicht zuletzt über eine gute Medienstrategie, bei der jeder Kanal eine klare Rolle spielt, das Creative auf den Kanal optimiert wird, und erkennbar über alle Kanäle integriert ist.

Der Abnutzungsmythos

Viele Marketingfachleute scheinen fest an den Satz „Neu ist immer besser“ zu glauben und verwerfen Kreativinhalte und Kampagnen noch bevor sie ihr volles Potenzial erreichen können. Dieses Verhalten kann auf zwei Faktoren zurückgeführt werden: zum einen die Überzeugung, dass Creatives eine begrenzte Lebensdauer haben. Das heißt, dass sie sich abnutzen (Wear-out). Zum anderen auf den Ehrgeiz neu ernannter Marketingleiter/innen oder CMOs, der Marke ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Häufig aus gutem Grund: schließlich gilt es, etwas vorzuzeigen. Neue Kampagnen erregen auch intern leichter Aufmerksamkeit als reine Budgetoptimierungen oder langfristiger Markenaufbau.

Den Feuereifer eines/r neuen CMOs beiseite: Die Annahme, dass eine gute Kreation sich abnutzt, ist ein Irrtum, der widerlegt werden muss. Anfang letzten Jahres testete System 1 diese Abnutzungstheorie. Ihre Forschungsergebnisse bestätigten, dass Kreativinhalte nicht optimal genutzt werden. Auch vorher gab es schon Untersuchungen, die zeigten, dass Verbraucher eine höhere Toleranz und Hemmschwelle für Werbewiederholungen haben (mehr als 10 Einblendungen) als bisher angenommen.

Jahrelang galt für TV die allgemeine Faustregel, Werbung auf 2.000 GRPs zu begrenzen, bevor es zu Abnutzung kommt. Bei unseren eigenen Untersuchungen in Australien zeigten nur 14 von über 50.000 Creatives Anzeichen von Abnutzung (Wear-out), bevor sie abgesetzt wurden. Ein Creative wurde dabei dann als „abgenutzt“ definiert, wenn die Kosten der Neuentwicklung eines Creatives geringer waren als die Kosten durch den Leistungsabfall des existierenden Creatives.

Dabei wird zudem außer Acht gelassen, dass Werbung sich durch Wiederholung im Gedächtnis des Verbrauchers festsetzt und so eine Erinnerung schafft; so wie zum Beispiel „Haribo macht Kinder froh, und Erwachsene ebenso“ – entwickelt in 1962. Markenkampagnen sind hier besonders stark betroffen, da sie typischerweise ein bis drei Jahre brauchen, um sich voll zu etablieren. Vor allem komplexere Nachrichten benötigen zu Anfang häufig noch teurere, längere Formate und Kanäle zur Erklärung und werden mit der Zeit effizienter, wenn sie auf kürzere, günstigere „Refresher“ reduziert werden können.

Starke kreative Plattformen sind Gold wert

Eine weitere wichtige Rolle dabei spielt sicher, dass nur ein Bruchteil der Kreation und Kampagnen überhaupt die Chance bekommen, ihr volles Potenzial erreichen - geschweige denn, lange genug im Markt sind, um in der Leistung wieder abzufallen. Viele werden vom Markt genommen, ohne dass ihre Leistung geprüft oder die Effektivität unterstützt wurde. Grundsätzlich sehen wir, dass ein Creative deutliche länger genutzt werden kann als man annehmen mag. Der ROI für eine Kampagne kann im Schnitt um 65% gesteigert werden, wenn sie anstatt 1-10 anhaltend 31 oder mehr Wochen Investment erhält.

Das bedeutet nicht, dass jede „alte“ Kampagne großartige Creatives hat, die ewig halten. Eine schlechte Anzeige ist immer noch eine schlechte Anzeige und wird keine positiven Reaktionen hervorrufen. Es deutet jedoch darauf hin, dass Marken, anstatt ständig neue Creatives einzuführen, Zeit in die Entwicklung hochwertiger kreativer Plattformen mit ihren Agenturen investieren und Medienpläne erstellen sollten, die die richtigen KPIs verfolgen. Eine solche kreative Plattform muss, wie eine gute Netflix Serie, relevant sein anstatt nur laut, um so auch über längere Zeit Interesse wecken zu können. Daraus können dann über die Jahre durchaus neue Werbespots entstehen, mit einem frischen Aussehen oder aktuellen Influencern – aber die kreativen Kernelemente der ursprünglichen Plattform bleiben erkennbar erhalten.

Die größten Anpassungen (bis hin zu separaten kreativen Ideen) sind wohl bei saisonalen Kampagnen nötig. Hier ist der Zeitrahmen für die Abnutzung durch das eigentliche Event oder den Zeitraum praktisch mit vorbestimmt. Egal, wie sehr wir Coca-Colas Weihnachtstrucks lieben, niemand möchte zwei Monate lang genau dieselbe Weihnachtswerbung sehen. In diesen Fällen können dennoch häufig Grundelemente von längerfristigen Kampagnen aufgegriffen werden. Oder zumindest die kreative Plattform des Vorjahresevents aufgefrischt werden: häufig lässt sich die Idee verfeinern, die Geschichte im Laufe der Zeit fortsetzen, oder als Variation neu auflegen – mit einem angepassten Medienmix.

Qualität statt Quantität

Angesichts des sinkenden Verbrauchervertrauens und der über Monate hinweg angestiegenen Inflation streben viele Unternehmen immer noch nach mehr Effizienz und Kosteneinsparungen. Marketingbudgets stehen daher unter enormem Druck und müssen kurzfristige Gewinne erzielen aber gleichzeitig auch den langfristigen Nutzen maximieren.

In einem solchen Wirtschaftsumfeld kann der Unterschied zwischen eher durchschnittlichen und sehr wirkungsvollen kreativen Ansätzen einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse haben. Denn Kreativität hat einen hohen Einfluss auf die Wirkung und den ROI von Werbemaßnahmen. Unsere Forschung zeigt, dass zwei Drittel der Wirkung einer Videoimpression von der Qualität der kreativen Elemente abhängen, und nur ein Drittel von der Ausführung.

Gute, konsistente Kreativeinhalte brauchen jedoch Zeit für die Entwicklung und auch Zeit im Pretesting – was Unternehmen nicht immer einkalkulieren. Dabei könnten sie genau damit Entwicklungszeit und Produktionsgeld im Nachgang sparen, wenn sie statt mehreren kurzfristig geplanten Creatives und Kampagnen, von Anfang an in die langfristige Umsetzung investieren.

Weniger Kampagnen sind oft mehr

Häufig mangelt es nicht nur an kreativer Qualität und genügend Zeit für einzelne Creatives im Markt, sondern es wird eine Vielzahl an Kampagnen gleichzeitig durchgeführt. Im Ergebnis sind für viele Marken die Kosten für Produktion höher als für die eigentliche Medienplatzierung. Auch kommt es zur Informationsüberflutung für den Verbraucher und einen potenziellen Verlust des Wiedererkennungswertes. Ein Grund dafür ist, dass Kampagnen für beispielsweise verschiedene Produkte oder Kategorien oft separat entwickelt und gemessen werden.

Dabei strahlen Kampagnen für dieselbe Marke häufig stark aufeinander ab, und könnten durch gezieltes Timing wesentlich effizienter zusammenspielen. Durch eine ganzheitliche Messung lassen sich diese Abstrahl-Effekte verstehen, die tatsächliche inkrementelle (zusätzliche) Wirkung jeder Kampagne messen, und die Planung optimieren. Gute Medienplanung betrachtet ebenfalls alle Kampagnen holistisch, um so durch ein optimales Zusammenspiel Überflutung zu vermeiden und Abstrahleffekte zu maximieren.

So lassen sich Werbeaktivitäten besser bewerten und es kann besser eingeschätzt werden, welche neuen Elemente erforderlich sind – inklusive der Gesamtkosten. Viele unserer globalen Kunden hatten zum Beispiel mehr Kampagnen in der Entwicklung, als sie effektiv unterstützen konnten. Nach der Analyse konnten sowohl Ausgaben als auch die Anzahl der erforderlichen Kampagnen optimiert werden. Gleichzeitig wurde ein ideales Verhältnis von Produktionskosten zu Medienausgaben aufrechterhalten.

Einer unserer Kunden konnte den ROI der lokalen Kampagnen um 35% verbessern, weil sie die Anzahl der globalen Kampagnen um 50-70% gesenkt haben. Ein weiterer Kunde hatte acht Kampagnen gleichzeitig laufen und damit deutlich zu viele. Die Analyse ergab, dass die optimale Anzahl gleichzeitig laufender Kampagnen drei wäre. Beide Beispiele zeigen die enormen Mehrausgaben für Kampagnen ohne entsprechenden ROI.

Ruhig bleiben

Abnehmende Aufmerksamkeit, Medienfragmentierung und Märchen über kreative Abnutzung haben viele Marken dazu veranlasst, bei ihren Kampagnen und kreativen Inhalten auf Quantität, statt Qualität zu setzen. Dabei sollten sie immer beachten, dass Werbung auch langfristige Wirkung hat, und daher lieber intelligenter und effizienter in relevante kreative Plattformen und Kampagnen investieren.

Wer in der zweiten Hälfte von 2024 und darüber hinaus Medienstrategien plant, sollte die folgenden vier Tipps verfolgen, um Kosten zu senken und die Effektivität zu steigern:

  • Konsistenz: Kampagnen und Creatives länger im Markt lassen. Sie brauchen Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Die wahre Wirkung einer guten Plattform baut sich oft über Monate und Jahre mit Hilfe von Wiederholungen auf.
  • Auffrischung: Anstatt eine komplette Markenplattform oder Kampagne nach dem Motto „Neu ist immer besser“ zu entwickeln, sollten Sie die bestehende Plattform und die vorhandenen Ideen lieber auffrischen, z. B. in neuen Formaten oder auf anderen Kanälen. Die Auffrischung eines guten Creatives ist weitaus mehr wert als die Verwendung von drei schlechten, neuen Creatives.
  • Qualität: In die Entwicklung guter kreativer Plattformen investieren – und diese sorgfältig vor dem Launch mit Konsumenten testen.
  • Integration: Ganzheitlich planen, messen und optimieren. Gute Kampagnen setzen klare Ziele pro Kanal, und integrieren die Kanäle über kreative Elemente – für maximale Synergien.
Erfolgsfaktor Kreativität Analyse
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